Wie Sie die richtige Strategie für Innovation finden

Es gibt viele Menschen, Führungskräfte und Kollegen, die sich fragen wie sie innovativer werden können. Meist kommt dann die Frage auf, welche Innovationsstrategie, welche Art der Innovation die richtige ist. In diesem Artikel bringe ich Licht in das Wirrwarr aus öffentlicher Meinung, heute gelebter Praxis und der neueren Managementliteratur.

In den letzten Jahren hat sich in dieser Fragestellung vieles geändert: Verhaltenspsychologen haben seit den 2000er Jahren erheblich zur Diskussion beigetragen und zwei Wirtschaftsnobelpreisträger hervorgebracht. Digitalisierung“ und Globalisierung haben die Welt kleiner gemacht. Aus diesem Grund habe ich diesen ca. zehn Jahre alten Artikel überarbeitet und zeige im Folgenden vier grundsätzliche Innovationsstrategien. 

Zunächst: Die Unterscheidung zwischen Strategie und Art der Innovation ist etwas akademisch. In vielen Unternehmen wird dies heute vermischt was nicht grundsätzlich schadet. Schlecht ist es nur, wenn man es bei dieser Diskussion belässt, anstatt zu handeln. Dieser Artikel behandelt Innovationsstrategien.

Elemente einer guten Strategie

Eine Strategie begründet den Kurs, den ein Unternehmen künftig einschlagen möchte. Die Elemente einer Innovationsstrategie sind wie die jeder Strategie vor allem das „Who, What, How“, wie Costas Markides von der Londons Business School ausführt. Anstelle der im Marketing üblichen fünf Ws reichen hier zwei und ein H:

  • Who: Wer ist ihr Kunde (starten sie mit den besten Kunden)?
  • What: Was wollen sie ihren Kunden konkret verkaufen? 
  • How: Wie wollen sie ihre Leistung erbringen?

Das ist die Essenz jeder Strategie, denn diese sind seit Jahren in Diskussion weil sich die Welt so schnell ändert, dass aufwendig erstellte Strategien schnell überholt sind. Zudem kennen die wenigsten Kollegen die Strategie ihres Unternehmens und können diese erklären. 

Ein Beispiel hierfür ist Yellow Tail – ein australischer Wein mit Känguru auf dem Emblem, das mittlerweile auch bei uns zu haben ist:

  • Who: Biertrinker
  • What: Wein, der Biertrinkern schmeckt: 
  • How: Einfache Auswahl, einfaches Trinken, einfacher Geschmack

Innerhalb von 15 Jahren hat diese Strategie vielen Biertrinkern den Zugang zu Wein gebracht. Klassische Weintrinker allerdings mögen Yellow Tail nicht. Die Eigentümerfamilie hat das beste aus minderwertigen Trauben gemacht!

Welche Strategie für Innovation ist für uns geeignet?

Strategy&PWC analysiert in der Studie „Global Innovation 1000″ seit weit über zehn Jahren jährlich aufs Neue wie Innovation mit dem finanziellen Erfolg der 1000 weltweit größten Unternehmen zusammenhängt. Die Aussage ist so eindeutig, dass man sagen könnte, jede andere Strategie unterliegt einer guten Innovationsstrategie. Programme zum Einsparen von Kosten oder große Akquisitionen oder Merger sollte man kritisch betrachten.

Die vielbemühte Digitalisierung bringt des Öfteren Unternehmen dazu, von einer neuen, digitalen Strategie oder einer Strategie der Digitalisierung zu sprechen. Dies ist Unsinn, denn jedes sinnvolle Strategie berücksichtigt heute Effekte der Digitalisierung wie sinkende Grenzkosten oder steigende Economies of Scale. 

Ganz grundsätzlich geht es bei einer Innovationsstrategie darum zu definieren, was einem Unternehmen am wichtigsten ist: Kunden, Technik oder der Wettbewerb. Ich füge dieser eingeführten Dreiteilung einer vierte hinzu: Mitarbeiter, besser Menschen.

Die klare Ausrichtung auf eine dieser Innovationsstrategien führen zu den finanzwirtschaftlich besten Resultaten. Wenig sinnvoll ist es, zwei verschiedenen Strategien in einem Unternehmen zu verfolgen.

Mein Buch Deutschland im Innovationsstau bei Amazon kaufen, bei bei ThaliaHugendubelBuecher.de erwerben oder hier mehr darüber lesen.

 „Need Seekers“ (Kundenversteher) 

Diese Innovationsstrategie stellt Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit in den Mittelpunkt aller Aktivitäten, und zwar von Anfang an. 

Das bedeutet, dass nicht irgendetwas etwas entwickelt wird um zu messen, was Menschen nutzen. Der Nutzen eines Produkts für Menschen ist für Need Seekers entscheidend und den kann man nicht messen, indem man zählt, welche Funktionen beliebt sind. Oder indem man Menschen plump fragt, was sie gerne hätten. Schon Henry Ford wusste dies:

Wenn ich meine Kunden gefragt hätte, was sie wollen, so hätten diese gesagt: schnellere Pferde!

Need Seeker haben Methoden perfektioniert, herauszufinden wie ihre Kunden „ticken“. Und sei es wie Martin Lindtröm unendlich viele Hausbesuche zu machen um den Menschen zu Hause zu zusehen. Es gibt wenige Menschen die sich einfach vorstellen können, was ein neues Produkt für sie bedeutet. Wir sind schnell dabei zu sagen, was wir gerne hätten. Die Lösung kann aber anders aussehen, als wir denken.

Eines der berühmtesten Beispiele für das perfekte Verständnis des Kunden ist die Einführung des iPhones. Heute ist es eine „Commodity“, eine Selbstverständlichkeit und Apple ist in der Rolle des Monopolisten. Als eine der teuersten Firmen der Welt galt zuvor Nokia. Die Finnen betrieben in den 2000 Jahren aber pures „Cost Cutting“ und vergaßen nach vorne zu blicken. Unvergessen ist die Schließung des Werkes in Bochum um mit EU Subventionen nach Rumänien zu gehen, nur um das dortige Werk wenige Jahre später wieder zu schließen.

Steve Jobs und Apple war die erste Firma weltweit, die diese Chance zu nutzen verstanden. Nicht, weil auf einmal die Technik bereitstand, sondern weil sie perfekt umsetzten, was die Menschen wollten: Einfach telefonieren können (ohne Zahlen einzutippen oder umständlich Anrufbeantworter abzuhören), problemlos im Internet surfen zu können und e-Mails zu versenden (mit den Geräten von Nokia war das ein Albtraum) und Musik hören. Wenig später bot der Apple Store Entwicklern die Möglichkeit Apps (seitdem heißen Programme Apps) dem weltweiten Publikum zur Verfügung zu stellen und Musik online zu kaufen. In den Anfangsjahren gab es die häufige Forderung ein iPhone „for Business“ herauszubringen, denn im Geschäftskundenbereich war Blackberry federführend.

Ein häufiges Missverständnis ist, dass Kundenversteher die ersten am Markt, dass sie „first mover“ seien. Es gab mp3-Player (wie den Apple iPod), mobiles Internet (Nokia, Blackberry), Synchronisierung mit dem PC (Palm Pilot) und Kalender oder e-Mails für unterwegs viel früher. Ein iPhone gab es zuvor nicht.

Weitere berühmte Beispiele für Need Seeker sind Amazon oder Zappos.

Technology-Drivers, Technology-Push (Techniktreiber) 

Diese Firmen treiben Technologie nach vorne, auch wenn nicht immer klar ist, wo vorne ist. Mit dieser Strategie lassen sich marktbeherrschende Stellungen erreichen und  wenn man die Eigenheiten kennt, auch verteidigen. Aber man kann auch schnell abstürzen.

Zuerst ein Beispiel für gelungenes Technologietreiben: Auch der jüngeren Generation könnte bekannt sein, dass der Audi quattro (der Ur-quattro) eines der ersten in größeren Stückzahlen produzierten Straßenfahrzeuge mit permanentem Allradantrieb war. Walter Röhrl führte das Konzept aus brachialer Leistung und überlegener Technik zu vielen sportlichen Siegen. Spätestens als ein Audi quattro eine Skisprungschanze emporfuhr begann der kommerzielle Aufstieg. Damals gab es kein Internet und die Käufer wussten nicht, dass das Auto an einem Stahlseil hing.

Der Abstieg folgte, als man nur noch kommerzielle Erfolge in den Mittelpunkt stellt – lange vor dem Abgasskandal.

Ruhm kann interessanten Menschen Mittelmäßigkeit aufzwingen

David Bowie

Sony war Jahrzehnte lang ein Vorbild durch eine Reihe grundsätzlicher Erfindungen wie Kassettenrekorder, Videorekorder, Walkmann, Floppy Disks, Video-Spielkonsolen, Handies. Immer wieder wurde Sony zurückgeworfen, weil man neue Wettbewerber zu spät erkannte. Aber japanische Demut führt wohl dazu, dass man sich immer wieder neuen technischen Herausforderungen stellt. In den letzten Jahren hat Sony das zugekaufte Minolta so fit gemacht, dass sogar die professionelle Fotografie der ebenfalls japanischen Konkurrenten Nikon, Canon und des mittlerweile chinesischen Hasselblad umdenken müssen.

Wenn man auf überlegende Technik setzt muss man damit leben, dass man schnell Alteisen ist, wenn man nicht ständig neue Vorschläge an den Markt bringt. Und damit, dass nicht jede Idee, nicht jedes neue Produkt angenommen wird. Die Gartner Technology Trends hießen vor zwanzig Jahre noch Gartner Hype Cycles und zeichneten sich vor allem dadurch aus, dass sie Quatsch voraussagten. 

Es ist gut, dass wir im deutschsprachigem Raum viele solcher Unternehmen sesshaft sind: VW, BMW, Daimler, SAP, Siemens gehören nach der Studie „Global Innovation 1000“ zu den innovativsten Unternehmen der Welt.

Market-Readers, Market-Pull (Marktkenner) 

Marktkenner versuchen sich durch Vertriebs- und Marketingaktivitäten, oftmals aggressive Preise und Marktmacht zu differenzieren.

Market-Reader wissen jederzeit genau, was ihre Wettbewerber anbieten und was ihren Kunden gefällt (oft auch wann, in welcher Filiale und sogar ein welchem Regal der Filiale). Sie zeichnen sich durch die laufende Einschätzung und Bewertung des Marktpotenzials vorhandener Produkte und möglicher Innovationen aus. Diese Fertigkeiten werden oft auch als Voraussetzung für einen Market-Pull beschrieben.

Ohne Lidl wären wir eingeschlafen.

Karl Albrecht

Viele deutsche Unternehmen fallen in diese Kategorie: Die Lebensmittelhändler Aldi, Lidl, Edeka und Rewe lassen sich hier genauso einordnen wie beispielsweise die Baumärkte Obi, Bauhaus und so weiter. Auch im Modebereich kann man Beispiele finden: Zara, H&M, Espit, Zalando.

Drei weitere Gruppen von Unternehmen möchte ich hier kurz diskutieren: In den letzten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten lassen sich auch fast alle Banken, Utilities (Strom, Gas, Wasser), die Telekommunikation sowie Mietwagenorganisationen einordnen. Viele von diesen Organisationen waren lange erfolgreich, hielten sich für unverzichtbar und haben lange eher auf Kosten als auf den Kunden geachtet. Das rächt sich nun – diesen Unternehmen fehlt schlicht die Flexibilität und oft auch die Einsicht, dass Sie etwas ändern müssen).

Einige sehr große Unternehmen passen auch in dieses Raster: Konglomerate wie Procter & Gamble, Nestle oder auch Henkel würd e ich dazu zählen. Bei diesen Unternehmen lassen sich immer wieder Versuche sehen, das Stammgeschäft durch neue Aktivitäten zu erweitern. Nicht immer gelingt das – ein positives Beispiel ist Febreze von Procter & Gamble. Vor allem aber sind diese Firmen auch Experten in Merger & Akquisition und kaufen je nach Marktlage was das Zeug hält oder konsolidieren. Nicht immer allerdings verlaufen diese Akquisitionen so erfolgreich wie bei Facebook: Whatsapp und Instagram gehören sicherlich zu den erfolgreichsten Akquisitionen der jüngeren Geschichte. 

Zu guter Letzt: Marktkenner warten gerne mal ab und gehen nicht jeden Trend gleich mit. Wenn, dann aber richtig, wie Disney mit Disney+ und Apple mit Apple Music und Apple+. Letzteres ist bemerkenswert, weil man diskutieren kann, ob Apple hier als Marktkenner oder als Kundenversteher agiert. Zumindest kannibalisiert es an den iTunes Store selbst, bevor es jemand anderes tut.

Menschenfreunde, Anti-Bürokratie

Innovationsstrategien werden meistens als obiger Dreiklang dargestellt. Damit wird aber der Entwicklung der Managementforschung in diesem Jahrtausend nicht gerecht. Heute ist der Einfluss von Psychologen auf diesem Gebiet enorm – die London Business School redet ständig davon (dies kann ich beurteilen, weil ich dort war) und es gibt unendlich viele Bücher hochrangiger Forscherinnen und Forscher zum Thema. Deshalb füge ich diese vierte grundsätzliche Innovationsstrategie hinzu.

Anti-Bürokraten ermöglichen ihren Mitstreiten sich zu fokussieren: Auf das was sie können, was sie gerne machen. Auf Innovation.

Welche Art der Innovation sie auch verfolgen, ohne motivierte, leidenschaftliche und kreative Mitarbeiter werden sie keinen Erfolg haben. Egal welche Errungenschaft sie sich ansehen, immer werden sie entsprechenden Mitarbeiter finden. Nur leidenschaftliche Mitarbeiter gehen den nächsten Schritt, wenn es schwer fällt.  Auch wenn nicht alle Innovation in Kreativität begründet ist muss man doch Probleme kreativ lösen. Aber Leidenschaft und Kreativität können sie nicht kaufen, sie bekommen sie geschenkt.

Aber die wenigsten Menschen haben Lust, ihrem Arbeitgeber etwas zu schenken. Die renommierte Beratung Gallup untersucht seit Jahrzehnten mit dem „State of the Global Workplace“ Bericht , wie motiviert Arbeitnehmer sind. Das schockierende Ergebnis ist, dass in Deutschland gerade mal 15% der Kollegen für das Unternehmen brennen, genauso viele wie innerlich gekündigt haben. Die Mehrheit der Arbeitnehmer macht einfach ihre Arbeit und schenkt ihnen garantiert nichts. In Amerika ist dieses Verhältnis deutlich besser, in vielen europäischen Ländern noch schlechter.

Menschenfreunde wissen das und tun alles mögliche um ihre Kollegen zu motivieren und Zeit zu geben – alle Motivation, Kreativität und Leidenschaft führt nicht zu Innovation, wenn die Kollegen keine Zeit dafür haben. Menschenfreunde richten die Arbeit am Mitarbeiter aus, damit diese dort arbeiten können wo sie am besten sind. Silicon Valley Tech-Riesen und Amazon sind oftmals sehr gut darin. Zudem setzen sich agile Organisationen immer öfter durch.

Die endgültige Lösung dieses Problems heißt aber Selbstorganisation. Fälschlicherweise wird oft angenommen, dass agile Organisation bereits selbstorganisiert sind, aber das ist ein Trugschluss. Gary Hamel ist einer der profiliertesten Vordenker der Anti-Bürokratie und fordert, dass alle überflüssigen Hürden in Unternehmen abgeschafft werden. Der Vater des Begriss Kern-Kompetenz sagt:

Früher schrieb ich über Kern-Kompetenzen. Heute würde ich über Kern-Inkompetenz schreiben

Gary Hamel

Er rechnet vor, welche Ausmaße Bürokratie haben kann. Eine kleine Firma kann einen Manager und zehn Angestellte haben. Wendet man die gleiche Kontrollspanne auf eine Organisation mit 100.000 Angestellten an, braucht man schon 11.111 Manager.

Morning Star ist der weltgrößte Verarbeiter von Tomaten und hier gilt: Niemand hat einen Chef, Angestellte verhandeln Verantwortung und Gehälter mit Kollegen –  jeder ist für sich selbst verantwortlich. Die chinesische Firma Haier ist mit 70.000 Mitarbeitern nach der Übernahme von GE Appliances einer der großen Hersteller weißer Ware und handelt nach ähnlichen Prinzipien, die Firma hat sich in hunderte kleiner Einheiten unterteilt, von denen keine größer als 70 Mitarbeiter sein soll, alle den Chef regelmäßig wählen und keine internen Kontrahierungszwang hat. Auch Gore Technologies ist ähnlich organisiert. Die über 10.000 Mitarbeiter heißen Associates, wählen ihre Chefs und verpflichten sich zu Leistung und Innovation.

Artikelreihe zu Innovation: Das Warum, Strategien und Arten der Innovation sowie die Umsetzung. Ergänzt um Mythen und Zitate/Sprüche.

10 Kommentare zu „Wie Sie die richtige Strategie für Innovation finden“

  1. get business funding

    Hey there! This is my first visit to your blog! We are a group of volunteers
    and starting a new initiative in a community in the same niche.

    Your blog provided us useful information to work on. You have done a extraordinary job!

  2. Valentine Beukema

    Good web site! I really love how it is simple on my eyes and the data are well written. I’m wondering how I could be notified when a new post has been made. I have subscribed to your RSS feed which must do the trick! Have a nice day!

  3. Hey there, You have done a great job. I will definitely digg it and personally recommend to my friends. I’m confident they will be benefited from this website.

    1. Thanks for your comment, Paul!

      I wrote surprises, but I should have written that I learnt something (and I will change this):
      a) as mentioned above: For instance it makes sense to differentiate innovaton which is driven by R&D departments from innovation which is driven by technology
      b) You consider the aspect of how easy an innovation can be copied and write, that Management Innovation can be a source of competitive advantage
      c) You combine service innovation and customer experience innovation. I think this makes sense

      The surprise was, that your classification seems to map to the three types we did chose for the Innovation Strategy Profiler http://www.InnovateYou.cridon.de. I did not really expect this since we did find a lot of Innovation Classifications before which seem to be incomplete in one way or the other.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.